Klassischer Gesangsunterricht

Blog von Opernsängerin Margo Weiskam


Infos rund um das Thema klassischer Gesangsunterricht. Ich erkläre Begriffe, erläutere Techniken, gebe Tipps und berichte über die Arbeit als professionelle Opernsängerin und Gesangslehrerin in Berlin. Zudem gibt es Video-Tutorials mit Übungen und Klavierbegleitungen für Anfänger und Fortgeschrittene.

08.11.2020 | Allgemein

Noch mehr Herbstfarben im klassischen Gesang

Im letzten Blog habe ich über Dichtung/ Literatur und Gesang geschrieben und auch schon den absolut herrlichen Zyklus „Das Lied von der Erde“ von Gustav Mahler (1909 komponiert) angesprochen. Hieraus möchte ich nun ein Gedicht zitieren:

Von der Jugend:

Mitten in dem kleinen Teiche-Steht ein Pavillon aus grünem-Und aus weißem Porzellan.

Wie der Rücken eines Tigers-Wölbt die Brücke sich aus Jade-Zu dem Pavillon hinüber.

In dem Häuschen sitzen Freunde-Schön gekleidet, trinken, plaudern-Manche schreiben Verse nieder.

Ihre seidnen Ärmel gleiten-Rückwärts, ihre seidnen Mützen-Hocken lustig tief im Nacken.

Auf des kleinen Teiches stiller-Wasserfläche zeigt sich alles-Wunderlich im Spiegelbilde.

Alles auf dem Kopfe stehend-In dem Pavillon aus grünem-Und aus weißem Porzellan;

Wie ein Halbmond steht die Brücke-Umgekehrt der Bogen. Freunde-Schön gekleidet, trinken, plaudern.

Der Zyklus besteht aus 6 Gedichten.

Es gibt sehr viele wunderschöne Aufnahmen- hier sei nur eine genannt:

EMI- Otto Klemperer mit Christa Ludwig und Fritz Wunderlich

Und gerade habe ich auch den Zyklus „Vier letzte Lieder“ von Richard Strauss neu wiederentdeckt. Auch hier geht es um den Herbst, um das Abschiednehmen. Strauss komponierte diese Orchesterlieder für Sopran 1948 kurz vor seinem Tod. Drei Gedichte sind von Hermann Hesse, das letzte von Joseph von Eichendorff. Hier möchte ich das zweite Gedicht zitieren:

September:

Der Garten trauert-Kühl sinkt in die Blumen der Regen-Der Sommer schauert-Still seinem Ende entgegen.

Golden tropft Blatt um Blatt-Nieder vom hohen Akazienbaum-Sommer lächelt erstaunt und matt-In den sterbenden Gartentraum.

Lange noch bei den Rosen-Bleibt er stehen, sehnt sich nach Ruh-Langsam tut er-Die müdgewordnen Augen zu.

Auch hier gibt es viele herrliche Aufnahmen. Stimmlich reichen diese von hellen, glockigen Sopranen- bis hin zu dramatischen Sopranen. Natürlich kann ich längst nicht alle erwähnen, aber hier einige wunderbare Sängerinnen:

Lucia Popp, Soile Isokoski, Jessye Norman, Anja Harteros, Kiri Te Kanawa, Cheryl Studer, Luba Orgonasova

In beiden Zyklen vereinen sich Wort und Ton auf faszinierend traumhaft schöne Weise.

Hoffentlich habt ihr nun Lust bekommen selbst zu lesen und zu hören. Viel Spaß dabei 🙂

PS Und natürlich gibt es noch viel viel mehr… Der Herbst kann also kommen. Mit all seinen Farben und Tönen. Für schlechtes Wetter haben wir herrliche Musik und Gedichte zum Einkuscheln und um Herz und Sinne zu öffnen und zu wärmen 😉