Gibt es eine Altersbeschränkung, wenn ich klassischen Gesang studieren möchte, wenn ich Opernsänger/in werden möchte?
Offiziell gibt es keine Altersbeschränkung, aber die Realität sieht anders aus. Zu der Zeit, in der ich Aufnahmeprüfung gemacht habe, gab es keine. Jedoch sollte man auch damals schon generell im „Studienalter“ sein. Auch zu Beginn meiner Opernlaufbahn gab es keine Altersbeschränkung. Zumindest nicht in dem heutigen Maßstab. Einzig für eine Stelle im Rundfunk- oder Opernchor gab es schon damals ein „Höchstalter“. Wobei das ja mit den Gleichstellungsregelungen ja eigentlich nicht funktioniert. Aber- wie immer gibt es sehr gute Schlupflöcher. Ich selbst habe mich zweimal für eine Stelle in einem Opernchor beworben. Zu dem Zeitpunkt war ich jeweils schon über der Altersgrenze. Natürlich kamen Absagen, welche aber „natürlich“ das Alter nicht erwähnten, sondern andere „Argumente“ anführten. Aber auch im Solo Bereich ist das Alter im Lauf der Zeit zu einem extrem brutalen Faktor geworden. Als dramatischer Mezzosopran hatte ich noch „Glück“. Gehören doch zum Rollenbild Ammen, Mütter, Großmütter, böse „alterslose“ Frauen usw. Aber mittlerweile wird der „Jugendwahn“ auch in diesem Stimmfach immer schlimmer. Für Sopranistinnen war es schon in meinen letzten Berufsjahren sehr schwer. So meinte einer meiner damaligen Agenten, er habe wunderbare Sopranistinnen, die aber nicht einmal zum Vorsingen eingeladen werden würden, wenn sie über 30 sind! Unglaublich!!! Dies betrifft vor allem die Sängerinnen, aber auch bei den Sängern wird „nachgezogen“. Was ist dann mit der Besetzung gerade der schwereren Fächer (Wagner, Verismo…) ??? Normalerweise braucht eine Stimme Zeit um zu wachsen… Ich selbst möchte lieber einen älteren Sänger/ Sängerin HÖREN und SEHEN, dessen Stimme der Partie entspricht. (Außerdem gibt es noch die Distanz im Theaterraum und Schminke 😉 )
Warum nun dieser „Jugendwahn“? Zum einen ist ein junger Sänger „billiger“, die Gage ist nicht so hoch, wie bei einem erfahreneren Sänger. Zum anderen wird man heutzutage oftmals gecastet wie für einen Film. Es geht inzwischen noch extremer um gutes Aussehen, welches natürlich schon immer von Vorteil war. Und zum dritten wissen heute viele Regisseure und Dirigenten nicht mehr soviel über Stimmen, wie früher. Und es ist ja egal, ob ein Sänger, eine Stimme kaputt geht! Es gibt ja genug „neues“ Sängermaterial, da heutzutage das Niveau unter den Sängern sehr hoch ist. Und tatsächlich werden auch zu viele Sänger ausgebildet. Insbesondere, da die Sparmaßnahmen im Kulturbereich immer größer werden. Durch Corona ist zusätzlich noch ein riesiger Sparhammer gefallen. Stellen werden immer weniger, Spielpläne immer „magerer“. Damit will ich jetzt nicht altmodisch sein und sagen, daß früher alles besser war 😉 Der „einzige“ Weg diesem Karussell (sowohl dem Alters- als auch dem „immer weniger Arbeitsmöglichkeiten“) zu entkommen, ist es möglichst schnell einigermaßen berühmt zu werden. Dann ist man auch als älterer Sänger/ in noch gefragt und hat noch Chancen auf eine der immer weniger werdenden Stellen/ Gastspiele. Denn interessanterweise schmückt sich die Politik gerne bei/ mit großen Premieren und Festspielen. Aber wenn es darum geht, Geld für die Kultur, für die Oper auszugeben, sind alle „verschwunden“.
Dies ist meine ganz persönliche Sicht der Dinge, resultierend aus meinen Erfahrungen, auch im Austausch mit Kollegen/ innen. Umso glücklicher und dankbarer bin ich für die etwas über 20 Jahre, die ich als Solistin gesungen habe. Und- witzigerweise hat mich nicht mein Alter von der Bühne gefegt, sondern mein Asthma 😉 Trotzdem- oder vielleicht auch gerade deswegen, bin ich inzwischen eine sehr glückliche und leidenschaftliche Gesangslehrerin 🙂 🙂 🙂
